Eine Feldstudie aus dem Maschinenraum des Marketings (Satire)
Können Titten sprechen?
Warnhinweis: Dieser Text enthält Spuren von Realität, Ironie und leicht angedelltem Ego. Wer sich schnell beleidigt fühlt, möge bitte weiterscrollen – vielleicht in Richtung #beachbodyready.
Elena kommt mit glänzenden Stiefeln, Ringlicht und dem Standardsatz der Content-Branche: „Ich mach das mal sexy.“
Halle 2 riecht nach Öl und warmem Kunststoff. Die Extrusionslinie brummt wie ein dicker Kater, die Flachfolienanlage zieht eine glänzende Haut über die Walzen und hinten kommentiert die Presse im gemütlichen Takt: Wumm. Wumm. Wumm.
Elena sucht erst mal nach dem Wichtigsten: „Wo ist hier die Like-Taste?“
Vor ihr ein Bedienfeld mit mehr Tasten als ihr Dashboard Statistiken hat. Keine Herzen, keine Flammen. Nur Realität.
Karl, ölverschmierte Hände, ruhiger Blick, steht neben ihr. Einer von der Sorte, die Maschinen auf Geräusch diagnostizieren, nicht auf Stimmung.
„Hier gibt’s nur An, Aus und Ärger“, meint er.
Elena stellt das Ringlicht auf, schaltet ihr Influencer-Gesicht an: das Lächeln, das schon Shampoos, Proteinpulver und drei fragwürdige Coachings verkauft hat.
Sie lehnt sich an die Flachfolienanlage und haucht in Richtung Walzen: „Gib’s mir.“
Die Anlage gibt ihr Folie. Meterweise. Völlig unbeeindruckt von Lippenstift und Zielgruppenanalyse.
„Sex sells!“, ruft Elena in die Halle, als wäre es ein Industrieprotokoll.
Die Presse kontert im Takt: wumm, wumm. Mich verkauft Taktzeit, Schätzchen.
Elena posiert vor Umformtechnik, die aussieht wie Zukunft in Blau.
Sie wirft Begriffe in die Luft: „Game-Changer“, „Next Level“, „Industrial Vibes“. Die Extrusionslinie läuft daneben weiter und registriert exakt: gar nichts.
Karl lehnt an einer Kiste mit Musterrollen, beobachtet das Spektakel wie eine etwas zu bunte Naturdoku.
„Weißt du, was das Ding kann?“, fragt er irgendwann. Eher in den Raum als zu ihr.
Elena blinzelt Richtung Maschine. „Es… formt?“
Karl nickt. „Und es tut gar nichts, wenn man nur hübsch guckt.“
Kurze Stille. Kein Jingle, keine Hintergrundmusik. Nur Maschinenlärm.
Elena schaut sich um, als hätte ihr jemand den Algorithmus weggenommen. „Bin ich hier falsch?“
„Kommt drauf an. Willst du glänzen oder verstehen?“ fragt der Maschinenbediener.
Blick zur Extrusionslinie. Die arbeitet einfach weiter, als wäre die Antwort längst klar. Verstehen dauert, dafür hält es länger als jede Kampagne.
Es wird weiter gefilmt. Diesmal ohne Posen.
Elena hält ihr Handy dicht an eine Stelle, an der’s knifflig wird. Kein Duckface, kein Filter, nur Nahaufnahme voll mit Technik
Karl erklärt in zwei Sätzen, warum hier ein Millimeter Frieden macht und zwei Millimeter Krieg.
Das Video: 15 Sekunden. Die Information: 30 Jahre Erfahrung.
Keine Musik. Kein „Smash that like button“. Nur: So läuft das.
Am nächsten Tag taucht Elena wieder in Halle 2 auf. Ohne Ringlicht. Ohne „Hey Leute, was geht ab?“. „Die Presse mag mich nicht“, meint sie und lächelt. Zum ersten Mal nicht in Richtung Kamera, sondern Richtung Maschine.
Karl hört kurz hin, ob irgendwo was schleift. „Die mag jeden, der ihren Rhythmus hört.“
Er tippt auf ein Display: „Hier verkaufen keine Blicke. Hier verkaufen Beweise – Meter pro Minute, Stückzeit, Präzision, Reproduzierbarkeit.“
„Und Sex?“
„Verkauft Aufmerksamkeit. Manchmal Ärger. Maschinen verkauft, wer sie laufen lässt.“
Elena steckt das Handy ein. Kein Selfie, kein Repost.
„Zeigst du mir morgen noch mal diese knifflige Stelle?“
Karl nickt. „Bring Ohren und Geduld mit?“
Hinter uns arbeiten die Maschinen weiter, als hätten sie weder Zeit für Eitelkeit, noch für Reichweite. Follower sind ihnen egal. Hauptsache: Produktion.
Und irgendwo zwischen Wumm und Surr legt sich eine Erkenntnis auf die Zunge:
Titten können sprechen. Sie sagen: „Scroll weiter.“
Verkaufen können sie nicht. Das übernehmen Menschen, die bleiben.
Und Dinge, die halten.
